Carl Schäfer 1844 - 1908

Leben und Werk des Architekten der Neugotik

Auszug aus:
Carl Schäfer 1844 - 1908
Leben und Werk des Architekten der Neugotik
Jutta Suchhard, Diss. Marburg 1974
Materialien zur Kunst des 19. Jhs., Bd. 21

29 MARBURG, Ehem. Botanisch-Pharmakognostisches Institut
(heute: Pharmakognostisches Institut), Pilgrimstein 4 (Abb. 40-45) 

Gegen Ende des 18.Jhs. kam es in Deutschland zur Einrichtung vieler neuer botanischer Garten. Auch in Marburg wurde damals (1786/87) zum ersten Mal ein botanischer Garten angelegt," und zwar auf dem Gelände der damaligen Anatomie (heute Zoologisches Institut) an der Ketzerbach. Anlaß dazu gab die Verlegung des botanischen Institutes von Kassel nach Marburg. 1809 kam die Universität in den Besitz eines ehemals dem Deutschen Orden gehörenden Geländes (des sog. Lustgartens) am Mühlgraben, das zur Anlage eines neuen botanischen Gartens (1810-1814) durch G. W. Wenderoth (1774-1861), den damaligen Professor für Botanik, verwandt wurde. Eine Neugestaltung nahm 1862 J.W.A. Wigand (1821-1886) vor. Doch ein Gebäude für Lehr- und Forschungszwecke fehlte noch - das Institut war zusammen mit anderen Instituten im >Deutschen Haus< untergebracht -, wie überhaupt bis zur Mitte des l9.Jhs. eigentliche botanische Institute im heutigen Sinne in Deutschland nicht existierten. Erst 1858 kam es in Freiburg durch De Barry zur Gründung eines solchen Institutes, dem Anfang der sechziger Jahre die Institute in Breslau, München, Jena und Halle folgten. Auch für Marburg war auf Betreiben Wigands schon 1865 ein Projekt zu einem Neubau aufgestellt worden, doch Aussicht auf Verwirklichung bestand erst seit Anfang 1870, als Preußen - zu dem das ehem. Kurhessen nun gehörte - an den Ausbau seiner Universitäten ging. Nun wurde Kultusminister v. Mühler gebeten, die Ausführung zu gestatten und zu genehmigen, daß zunächst "unter Benutzung des älteren Projects durch den Architecten Scheele ein den Verhältnissen entsprechendes Project... ausgearbeitet werde". Von Mühler sandte daraufhin am 24.3.1871 an den Kurator eine Entwurfsskizze der Abteilung für Bauwesen des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten vom 1.7.1870 (von Flaminius) mit dem Auftrag, danach Bauzeichnungen auszuarbeiten. Für die "äußere Formenbildung" war Hausteinmaterial vorgesehen, "weil Hausteine in vorzüglicher Qualität und Menge in der Umgegend von Marburg gebrochen werden". Mit dieser, in Neurenaissance-Formen gehaltenen Bauskizze war Wigand aber nicht einverstanden, da sie in der Anordnung der Räume und in den Dimensionen nicht seinen Wünschen entsprach. Vor allem hinsichtlich des Stiles war er der Ansicht, "daß unserer Stadt durch die hervorragenden Gebäude wie das Schloß, sämmtliche Kirchen insbesondere die St. Elisabethkirche, das Rathhaus, Deutschhaus, sowie selbst unter den neueren öffentlichen Gebäuden wenigstens gerade durch die unmittelbar benachbarten [ehem. chirurgische -, heute Pharmakologie, und Frauenklinik], ein so bestimmtes architectonisches Gepräge aufgedrückt ist, daß damit für jeden Neubau ein mit diesem traditionellen Character harmonirender Stiel mit Notwendigkeit vorgezeichnet ist, wogegen irgend ein anderer Stiel wie z.b. der in dem vorliegenden Entwurf angenommene Renaissance- oder italienische Stiel, so vollkommen edel und geschmackvoll an sich, doch für die besonderen hiesigen Verhältnisse als fremdartig erscheinen würde." Wigand wandle sich deswegen am 8.4.1871 an den Geh. Oberbaurat Flaminius in Berlin. Daraufhin wurde Schäfer am 22.5.1871 beauftragt, einen Entwurf und einen Kostenanschlag zu machen. Er übersandte sein Projekt der Universität schon am 11. Juni. Die Universität leitete es am 15.6. an v. Mühler weiter mit dem Bemerken, daß Schäfers Entwurf im Baustil und der Verteilung der Räume von der Skizze der Abteilung für Bauwesen abweiche. Schäfer erhielt den ersten Auftrag zu einem Entwurf für ein Gebäude der Universität Marburg also noch vor seiner offiziellen Berufung als Universitätsarchitekt.

Das Projekt wurde vom revidierenden Regierungs- und Baurat Lichtenberg in Kassel befürwortet, da Marburg "ein specifisch gothisches Gepräge" habe und man "diese Bauweise ... auch ferner" offenbar dort pflegen wolle, worauf die "eben erst erfolgte Bestellung eines eifrigen Gothikers zum Universitätsbaumeister, in der Person des Architekten Schäfer" schließen lasse. Nach Schäfers Erläuterungsbericht vom 9.6.1871 sei "das Auditorium in einen besonderen einstöckigen massiven Flügelbau von 13' (resp.2l' unter dem Scheitel der Bogendecke) lichter Höhe an die östliche Seite gelegt. Das Museum selbst hat zwei Geschosse von je 11' lichter Höhe und enthält die ändern im Programm bezeichneten Räume. Nur das Erdgeschoß ist massiv, das Obergeschoß, sowie ein Kniedachgeschoß darüber von übergebautem Holzfachwerk construirt". Die Abteilung für Bauwesen im Handelsministerium in Berlin - wo das Projekt superrevidiert wurde - hatte hingegen erhebliche Bedenken gegen den Entwurf, vor allem gegen die Herstellung des oberen Stockwerkes in Fachwerk. Sie ließ eine Skizze - Wigands Wunsch entsprechend in "gothischer Bauweise" - anfertigen, die vom Ministerium der geistlichen pp. Angelegenheiten am 30.8.1871 zusammen mit dem Gutachten des Handelsministeriums (vom 15.8.1871) an das K.U.C. mit dem Bemerken gesandt wurde, bei der weiteren Ausarbeitung des Projektes darauf Rücksicht zu nehmen.

Im Winter hatte Schäfer einen zweiten Entwurf fertiggestellt, der - mit Datum vom 14.12.1871 - am 16.12.1871 nach Kassel zur technischen Revision gesandt wurde (er bestand aus 10 Bl. Zeichnungen). Sie verzögerte sich infolge des Todes von Lichtenberg und konnte erst von dessen Nachfolger Landgrebe vorgenommen werden. Am 24.5.1872 wurde das Projekt dann endlich zurückgeschickt. Ein knappes Jahr später, am 25.3.1873, wurde schließlich von Berlin nach erfolgter Superrevision die Genehmigung zur Ausführung erteilt. Doch gab es nochmals Schwierigkeiten, da Wigand sich im April 1873 beschwerte, daß er dieses zweite Projekt noch gar nicht gesehen habe. Schäfer, der am 2. April mit der Absteckung des Bauplatzes und den Erdarbeiten begonnen hatte, mußte die Arbeiten bis Mitte des Monats einstellen lassen. Außerdem mußte er Änderungswünsche Wigands berücksichtigen, der die Umwandlung der Vorhalle an der Nordseite zwischen Hauptgebäude und Auditorium in ein Zimmer wünschte sowie die Anlage eines Abortes im Erdgeschoß und einer Garderobe neben dem Auditorium. Außerdem forderte er eine niedrigere Brüstungshöhe der Fenster im Auditorium. Da Schäfer diese Änderungen bis Ende des Jahres noch nicht vorgenommen hatte, wurde er am 3.l.1874 vom K.U.C. zur Zahlung eines Strafgeldes von 2 Talern verurteilt. Am 14.l.1874 reichte er dann die Zeichnungen mit den Änderungen ein, die - mit Ausnahme des Abortes - am 8.4.1874 vom Minister der geistlichen pp. Angelegenheiten Falk genehmigt wurden. Im April 1873 vergab Schäfer aber schon die Maurer- und Steinhauerarbeiten an Benedikt Dauber, die Zimmerarbeiten an Zimmermeisler Georg Broeg (Marburg) und - im Juni 1874 - an Zimmermann P. Breidenstein. Sein Vorgehen bei der Vergabe der Zimmerarbeiten wurde vom Kuratorium getadelt, ebenso »die fast zur Gewohnheit gewordene Verschleppung der geschäftlichen Erledigung der Univ.-Bauangelegenheiten«. Man forderte ihn auf, den Bau »mit Nachdruck« fortzuführen und auf Sparsamkeit zu achten.

Schwere Differenzen mit Wigand wegen der Aufstellung des Programms für die innere Einrichtung des Institutes führten im Sommer 1874 dazu, daß der Institutsdirektor beantragte, die Ausführung des Baues einem anderen Architekten zu übertragen. Doch hatten seine Beschwerden keinen Erfolg. Das Programm für die innere Einrichtung war Ende November 1874 fertig, worauf die Schreinerarbeiten an J. Lange aus Bürgein (Kr. Marburg) vergeben werden konnten. Es wurde (mit Zeichnungen und Kostenanschlag) am 28.l.1875 an Minister Falk gesandt, der am 27.7. die Genehmigung zur teilweisen Herstellung des Mobiliars wegen schneller Vollendung des Baues ausnahmsweise vor Verabschiedung des Staatshaushaltes (für 1876) gab. Den Auftrag hierzu erhielt Cuno am 28.7.1875 zusammen mit Wigand. In der Zwischenzeit war es erneut zu Klagen über Schäfer seitens des Institutsdirektors gekommen. Ihm wurde wiederum Verschleppung der Bauausführung vorgeworfen und Nichteinhaltung seiner Versicherung, das Gebäude bis Ende 1874 zu vollenden. Schäfer verteidigte sich mit dem Argument, »der Bau ist stets eifrig gefördert worden. Hierzulande, wo selbst die schlichten, jedes Details ermangelnden Backsteinhäuser der Irrenheilanstalt nicht rascher als in 2 Jahren gebaut werden können, wird man auf einen fein durchgebildeten Quaderbau, bei dem jeder Stein durch die Hände des Steinmetzen oder sogar Bildhauers geht, immer eine gleiche Bauzeit rechnen müssen. Jedenfalls habe ich für die unablässige Sorgfalt, mit der ich um die geringfügigsten Einzelheiten des Baues mich fortwährend bekümmere und abmühe, etwas Besseres verdient als die Vorwürfe des Herrn Institutsdirectors.« Im Dezember 1874 konnten die Glaserarbeiten an die beiden Marburger Glasermeister Georg Schippel (für Keller-, Dach-, Giebel und Abortfenster) und Schultz (die übrigen Fenster, Oberlichter der Fenster und Türen sowie des mittleren Kreises des Rundfensters) vergeben werden, im April 1875 die Schlosserarbeiten an Schlossermeister H. Fischer. Weitere Änderungswünsche Wigands in bezug auf eine hohe Täfelung im Auditorium und »angemessene Decoration des prächtigen Treppenhauses« wurden nicht genehmigt. Statt dessen rügte man von seiten des Ministeriums die lange Bauleitung - und die damit verbundenen Kosten sowie die Herstellung einer steinernen Treppe anstelle einer hölzernen, was Schäfer mit dem Hinweis auf die bei preußischen öffentlichen Bauten allgemein üblichen Steintreppen zurückwies. Für die längere Dauer der Bauausführung und die höheren Kosten führte er die Schwierigkeit bei Besetzung der Bauführerstellen und die gestiegenen Forderungen der Bauführer an. Im Oktober 1875 war der Bau fast fertig, doch standen Mittel für die noch fehlenden Einrichtungsstücke erst im Mai 1876 bereit.

Am 2.3.1877 konnte Schäfer dem Kuratorium endlich die »Vollendung des Neubaues für das botanisch-pharmacognostische Institut«' melden. Doch fehlten immer noch Teile der inneren Einrichtung; erst am l.10.1881 konnte der damalige Universitätsarchitekt Meydenbauer den Abschluß der restlichen Arbeiten für die Innenaustattung dem Kuratorium anzeigen. Es kam nochmals zu heftiger Kritik an Schäfers Ausführung. Meydenbauer sprach von einem »mit wenig Sorgfalt ausgeführten Gebäude«. Durch Senkung der Fundamente waren nämlich schon 1878 Risse an den inneren Fensterbögen des Auditoriums aufgetreten, die im August 1879 Ausbesserungsarbeiten nötig machten. Schäfer entgegnete darauf am 19.3.1881, daß ihn der Bau »auf Werkplatz und Büreau außergewöhnlich stark in Anspruch genommen« habe und über 500 Werkzeichnungen angefertigt worden seien. Zu dieser Kritik kamen Klagen über Schäfers Geschäftsführung; so teilte Bauführer Poltrock, der vom l.7.1877 bis Ende Mai 1878 mit Aufstellung der verschiedenen Revisionskostenanschläge der Universitätsneubauten beschäftigt war, auf Befragen mit, daß er »von Anfang bis zu Ende so unausgesetzt mit der Entwirrung von allerlei Unregelmäßigkeiten im Rechnunglegen zu thun gehabt« habe, daß er die »Erinnerung an ein allgemeines Chaos der bezüglichen Thätigkeit der früheren Universitäts-Bau-Verwaltung« zurückbehalten habe.

Zu Beginn des Jahres 1883 bat Wigand um Ausbau des Dachbodens über dem Auditorium, um so Raum für die Unterbringung einer Schenkung (Sammlung brasilianischer Pflanzen) zu gewinnen. Nach Genehmigung durch das Ministerium wurde der Antrag aber wieder zurückgezogen, da Meydenbauer eine Überlastung des Dachwerks und weitere Senkung der »immer noch nicht zur Ruhe gekommenen Fundamente« (Brief vom 21.6.1883) befürchtete. Daneben spielten auch ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle bei diesem Entscheid; Meydenbauer glaubte durch den Einbau liegender Dachfenster den einheitlichen Gesamteindruck des Gebäudes zu stören. Nach dem Tode Wigands drang der neue Institutsdirektor Karl I.E. Goebel (1855-1932) im April 1887 auf Ausbau des Dachraumes über dem Hauptbau zu Sammlungsräumen. Von der zuständigen Baubehörde in Kassel wurde das aber abgelehnt zugunsten des Aufbaues eines Stockwerkes über dem Auditorium. Doch der schlechte bauliche Zustand (Risse und Senkungen) dieses Traktes stand einer solchen Lösung entgegen, und man empfahl daher den Neubau eines Sammlungshauses in nächster Nähe des Institutes, wozu es aber erst zwanzig Jahre später kam. Statt dessen wandte man nun seine Aufmerksamkeit einem Vorschlag Goebels vom Sommer 1888 zu, den für 95 Zuhörer unzureichenden Hörsaal zu vergrößern. Regierungsbaumeister Rambeau fertigte im Herbst 1888 Skizzen zu einem Neubau an. Goebel trat aber mehr für einen Um- statt für einen Erweiterungsbau ein, da er nicht kostbares Gelände des Gartens verlieren wollte. Ästhetische Gesichtspunkte, wie Wahrung der »günstigen architektonischen Verhältnisse«, waren für ihn gegenüber den praktischen Belangen nebensächlich. Für Universitätsarchitekt Wentzel waren dagegen künstlerische Fragen ausschlaggebend; er wollte auf keinen Fall schwerwiegende Eingriffe in die alte Bauanlage vornehmen und einen neuen Flügel errichten, der im Stil und Material genau dem alten Gebäude entsprechen sollte. Mehrere Lösungsversuehe scheiterten an Einsprüchen Goebels oder des Ministeriums. Man bemängelte zuletzt sogar, daß die Architektur sämtlicher sechs Entwürfe »mit den einfachen u. doch schönen Formen der bestehenden Gebäudegruppe nicht im Einklang« stehe. Schließlich stellte das Ministerium der geistlichen pp. Angelegenheiten am 24.8.1889 der Universität eine im M.d.ö.A. gefertigte Skizze (vom 17.8.) zu, die einen Anbau an die östliche Giebelwand des alten Hörsaales vorsah. Der neue Universitätsarchitekt vom Dahl zeichnete daraufhin im September 1890 drei neue Entwürfe, von denen Entwurf I eine Verlängerung des alten Hörsaales um eine Achse vorsah, Entwurf II den Anbau eines neuen Hörsaales an die Nordseite, Entwurf III einen Anbau an die Ostseite des alten Auditoriums. Am 13.3.1891 kam der Entscheid für Entwurf III aus Berlin, dem auch Goebel zustimmte. Neue Verzögerungen ergaben sich durch den Weggang Goebels und die Berufung Arthur Meyers (1850-1922) zum neuen Institutsdirektor im Jahre 1891. Meyer trug am 7.4.1892 Änderungswünsche vor, u.a. Fortfall des geplanten Verbindungsganges vom Alt- zum Neubau an der Nordseite des Hörsaales und Umwandlung des alten Hörsaales in einen Mikroskopierraum. Das Ministerium der geistlichen pp. Angelegenheiten ließ daraufhin im M.d.ö.A. eine diese Wünsche berücksichtigende Skizze ausarbeiten (sie datiert vom 18.7.1892) und schickte sie dem Kurator am 11.2.1893 mit dem Auftrag zu, danach einen ausführlichen Entwurf zum Erweiterungsbau anfertigen zu lassen. Vom Dahl stellte ihn am 30.4.1893 fertig. Im Januar 1896 wollte Meyer einiges geändert wissen (so Anbringung eines zweiflügeligen Fensters im Südgiebel des neuen Hörsaales anstelle des alten östlichen Rundfensters). Ob alles berücksichtigt wurde, geht aus den Akten nicht hervor.

Am 5.3.1896 wurde dann vom Ministerium der geistlichen pp. Angelegenheiten die Ermächtigung zur Ausführung gegeben, die Zölffel und Regierungsbaumeister Krücken übernahmen. Im Dezember 1896 war der neue Hörsaal für ca. 150 Personen im Rohbau fertig. Zölffel widersetzte sich einer von Meyer gewünschten schnellen Fertigstellung des Baues aus Sicherheitsgründen: »Die Schäden einer übereilten Bauausführung sind deutlich genug an dem künstlerisch vollendet entworfenen älteren Gebäude wahrzunehmen und sollten zur Warnung dienen, damit Uebereilungen dieser Art nicht wieder vorkommen.« Er wandte sich auch kategorisch gegen die von Meyer vorgeschlagene Beseitigung der Fensterkreuze im alten Hörsaal und eine Vergrößerung der dortigen Fenster. Zwar sah Zölffel die Notwendigkeit besserer Lichtzufuhr ein, doch sei andererseits das Interesse vorhanden, »an dem bestehenden Theile des botanischen Institutes, der für sich ein abgeschlossenes Kunstwerk von Bedeutung ausmacht. Nichts zu ändern, um es nicht zu entstellen«. Die beabsichtigte Änderung war für ihn unvereinbar mit seinem architektonischen Gewissen; er wollte sie »nur dem äußersten Zwange weichend« ausführen lassen. Es ist auffällig und beachtenswert, wie sehr von den Nachfolgern Schäfers auf das bestehende Bauwerk Rücksicht genommen wurde. Am 13.8.1897 wurde vom Ministerium dann doch die Herausnahme der steinernen Kreuze und die Erhöhung und Verbreiterung der drei Fenster an der Nordseite verfügt. Die Übergabe des Erweiterungsbaues an den Institutsdirektor fand am 29.10.1897 statt. 1898 folgte der Ausbau des Dachgeschosses über dem Mikroskopierraum und die Umwandlung des alten Hörsaales in einen Mikroskopiersaal mit 52 Plätzen. 1907 - 1909 wurde im Norden ein Verbindungsgang zum westlich gelegenen, neuen Sammlungsgebäude angebaut. 1914 plante man eine Erweiterung des Hörsaales nach Osten. Das Projekt wurde aber nicht ausgeführt. 1929 wurde an der Nordseite über der Haupttreppe eine Dachkammer eingerichtet, 1930 eine weitere an der Südseite. 1944/45 kam es zu Dach- und Fensterschäden durch Fliegerangriffe (nach 1945 beseitigt). Mit verschiedenen kleineren Änderungen im Inneren hat sich der Bau bis heute erhalten.

Schäfers nicht ausgeführtes erstes Projekt zum Neubau des botanischen Institutes vom 9.6.1871 (bestehend aus 4 Bl. Zeichnungen und l Kostenanschlag nebst Erläuterung - alle nicht mehr vorhanden) war für einen Bauplatz in der Mitte der Nordseite des Gartens gedacht. Im Grundriß unterschied es sich nicht wesentlich von dem zweiten Entwurf. Der Aufriß war dagegen anders geplant. Er sah einen auf Fundamenten aus Bruchsteinen (äußere Sockelmauer mit Quaderverblendung und Sockelgesims) ruhenden, zweigeschossigen Hauptbau mit 11', d. h. 2,75 m lichter Höhe pro Geschoß vor, dessen Erdgeschoß Mauern aus Backstein mit Tonsteinverblendung, Sandsteingewänden und -gesimsen haben sollte. Das Obergeschoß und ein Kniedachgeschoß darüber waren als übergebautes Holzfachwerk mit gekehlten Fensterpfosten, Schwellen und Brüstungsgesimsen konstruiert, die Dachflächen geschiefert. Die etwas zurückgesetzten Gefache sollten ausgemauert und mit Tonstein verblendet sowie gefugt werden. Nach Osten sollte sich das Auditorium mit 13', d.h. 3,25 m lichter Höhe in einem besonderen, eingeschossigen, massiven Flügelbau mit Giebel und Strebepfeilern anschließen und eine verschalte, bis in das Dach reichende Bogendecke erhalten. Der einzige Zugang zum massiven Treppenhaus lag zurückgesetzt an der Südseite zwischen dem Hauptbau und dem Hörsaaltrakt. Seine Freitreppe wurde durch den Eckstrebepfeiler des Nebentraktes verengt, so daß von Lichtenberg bei der Revision die Anlage eines offenen, überwölbten Portales vorgeschlagen wurde. Diese Anregung hat Schäfer bei der Ausführung aufgegriffen wie auch die Empfehlung der Abteilung für Bauwesen, das Hauptgebäude zu unterkellern. Auf Lichtenbergs Rat änderte Schäfer auch die Fenster an der Nordseite von zwei dreiteiligen in drei Kreuzstockfenster, um damit für bessere Lichtzufuhr zu sorgen. Für das Auditorium hatte Schäfer nur Fenster nach Norden und in der östlichen Giebelseite projektiert, da die südliche Langseite vom Lehrstuhl eingenommen wurde. Lichtenberg hielt diese Anordnung aus ästhetischen und praktischen Gründen für unzweckmäßig; seinem Einfluß ist die Verlegung des Lehrstuhles und die Anbringung von Fenstern an der Südseite zuzuschreiben. Die seitlichen Räume des Hauptgebäudes waren von Schäfer schon bei diesem ersten Entwurf als nach Westen vorspringende Risalite geplant, um dieser, dem Pilgrimstein zugewandten Front »mehr Reiz zu verleihen«. Die Mittelpartie dazwischen sollte ein relativ flaches Dach erhalten. Das wurde aber als ungünstig im Vergleich zu den steilen Dächern der Risalite angesehen und veranlaßte Schäfer zu einer Änderung. Dem Projekt war der hessische Fuß (0,25 m) zugrundegelegt. Bei der Ausarbeitung des zweiten Entwurfes mußte dann das Metermaß angewandt werden. Die Kosten hatte Schäfer auf 11.000 bzw. 14.300 Reichstaler bei Rechnung nach dem preußischen Fuß (0,314 m) veranschlagt.

Für die Ablehnung des Entwurfs I durch den Landbaumeister Regenbogen und die Abteilung für Bauwesen war nicht so sehr das Abweichen hinsichtlich Stil und Raumverteilung von der Skizze dieser Abteilung entscheidend, als vielmehr die geplante Herstellung des Obergeschosses in Fachwerk. Eine solche Konstruktion konnte aufgrund ihrer Wetteranfälligkeit zu viele Reparaturen nach sich ziehen; sie wurde daher als unzweckmäßig verworfen. Der Entscheid für Entwurf II bedeutete die Ausführung eines auf die architektonischen Gegebenheiten der Stadt wesentlich stärker ausgerichteten Projekts. Entwurf I hätte mit seiner Backstein-Fachwerk-Konstruktion inmitten einer Umgebung aus Sandstein einen Fremdkörper dargestellt, trotz des backsteinernen Nachbarbaues der Frauenklinik.

Das Institut ist nach dem zweiten Entwurf auf einem Bauplatz an der Nordseite des botanischen Gartens, nahe der Grenze zur Frauenklinik, erbaut worden, östlich lag die heute nicht mehr existierende bepflanzte Ruine eines Gewächshauses; nach Süden breitete sich der Garten aus, durch den, von Westen, vom Pilgrimstein her der Zugang erfolgt (seit 1973 infolge eines Erweiterungsbaues der Frauenklinik verändert). Die west-östlich ausgerichtete Anlage besteht aus einem zweigeschossigen Hauptbau mit Arbeitsund Sammlungsräumen und einem nach Osten sich anschließenden, schmaleren, eingeschossigen Nebenflügel mit dem Auditorium für 63 Personen (Abb. 44). Diese Anordnung ist sicherlich dem Wunsch nach zweiseitiger (notwendiger) Belichtung und Auflockerung der Gebäudegruppe entsprungen. Der ein Rechteck bildende Grundriß des Hauptbaues ist stark gegliedert, aber symmetrisch angelegt (Abb. 40). Er weist je einen risalitartigen Vorsprung von einem Meter nach Norden und Süden, zwei solche Vorsprünge nach Westen auf. In dieser symmetrischen Gestaltung kommen barock-klassizistische Nachwirkungen zum Ausdruck.

Insgesamt ist eine Grundfläche von 355 qm bebaut, wovon 260 qm auf den Haupt-, 95 qm auf den Hörsaalbau entfallen, der im Gegensatz zum unterkellerten Hauptbau nur einen Luftkeller hat. Die Fundamente und Kellermauern bestehen aus Bruchstein, z.T. auf Pfahlrost, die Mauern aus Backsteinen in Kalkmörtel, die Treppen sind massiv. Die Fassaden sind mit gespitzten Hausteinquadern aus weißem Wehrdaer Sandstein verblendet; Sockelmauerwerk (gekrönelt). Eckeinfassungen, Fensterkreuze und -rahmungen, Sohlbänke, Stürze, Blendmaßwerk, Gesimse, Eingang und Eingangsbogen, Fries, Strebepfeiler, Kragsteine, Wasserspeier und Giebelkanten sind aus rotem Gisselberger Sandstein gearbeitet (alles scharriert, bis auf die geschliffenen Säulenschäfte und das Blendmaßwerk). Dieses bewußte Gegenüberstellen verschiedenfarbiger Steinmaterialien verleiht den Außenwänden Reiz und Leben. Nach Norden und Süden sind die Fronten des Hauptbaues (ohne Risalite) in je drei, nach Westen in eine Fensterachse aufgeteilt.